Blick ins Archiv: Die Fräulein sammeln Unterschriften (NS-Zeit)
Dokumente aus der NS-Zeit zum Uhlandbad sind im sonst so ergiebigen Stadtwerke-Archiv kaum erhalten. Fest steht, dass sich die nationalsozialistische Kommunalpolitik unter Oberbürgermeister Adolf Scheef, der Tübingen mit SA-Motorsportschule, Reichsbräute- und Reichssanitätsschule zur „Parteistadt“ ausbaute, schnell auf die städtischen Bäder auswirkte: Neben den Schulen, den Turn- und Schwimmvereinen beanspruchten nun auch Wehrmacht, SA- und SS-Stürme, SA-Sanitätsschule und Hitler-Jugend, BdM, Arbeitsdienst und Motorsportschule Schwimmstunden im Uhlandbad.
Nationalsozialistische Badeordnung
Sehr früh, schon im Mai 1933 nahm der Gemeinderat den Antrag der Tübinger NSDAP mehrheitlich an, „Juden und Fremdrassigen“ den Zutritt zum städtischen Freibad im Neckar zu verwehren. Vielen ging dies zu weit. Trotz Protesten von Universität und Geschäftsleuten, sogar vom Außenministerium in Berlin ließ sich der Gemeinderat nicht umstimmen. Es blieb dabei: Das Tübinger Freibad war nur noch „Ariern“ zugänglich. Alle anderen verwies man auf das Uhlandbad, zu dem sie weiterhin Zutritt hatten.
Die nationalsozialistische Badeordnung sah außerdem vor, dass keine Trennung der Geschlechter mehr vorgenommen werden sollte: Zum ersten Mal durften Frauen und Männer offiziell gemeinsam schwimmen ‒ im Uhlandbad immerhin für zwei Stunden am Donnerstag im „Familienbad“. Auch um die „guten Sitten“ sorgte sich der Gemeinderat: In den wilden Zwanzigern war die Bademode enger, bunter und freizügiger geworden. Dem gebot ab 1932 der so genannte „Zwickelerlass“ des preußischen Innenministeriums Einhalt, der nicht nur das Nacktbaden verbot, sondern auch ganz genau regelte, welche Körperteile beim Baden zu verhüllen sind. Als besonders anrüchig galt die beinfreie „Dreiecksbadehose“ bei Männern. Diese wurde 1933 auch in Tübingen verboten - nur noch „Badehosen mit Beinansatz“ waren erlaubt!
Die Fräulein sammeln Unterschriften
Ein interessanter Briefwechsel ist im Stadtarchiv erhalten: Im Dezember 1937 wurde der Belegungsplan wieder einmal geändert und die Schwimmstunde, die bislang für berufstätige Frauen reserviert war, dem Jungvolk der Hitlerjugend zugeteilt. Das ließen sich die Frauen nicht gefallen. Kurzerhand organisierten sie eine Unterschriftenaktion und verfassten „im Namen vieler berufstätiger Frauen und Mädchen von Tübingen“ einen Beschwerdebrief an den Bürgermeister.
Die Behauptung, die Schwimmstunde am Freitagabend für die Berufstätigen lohne sich nicht, „da dieselbe immer nur von 4-5 Fräulein besucht werde“ weisen diese „ganz energisch als unwahr“ zurück. „Sie werden verstehen, sehr geehrter Herr Bürgermeister, dass es hauptsächlich für die berufstätige Frau außerordentlich wichtig ist, sich sportlich zu betätigen“, schreibt die Bankangestellte Lydia Werz stellvertretend für 30 Damen aus Verlagen, Buchhandlungen, Bäckereien, Zigarren- und Schokoladengeschäften, Kliniken und Handwerksbetrieben.
Die Antwort von Bürgermeister Weinmann fiel negativ aus: „Ich habe mich davon überzeugt, dass die Hitlerjugend diese Badestunde dringend braucht und habe festgestellt, dass im letzten Baden 71 Jungen anwesend waren.“ Den Damen wurde immerhin angeboten, am Montagabend gemeinsam mit dem BdM zu baden. Ein Jahr später ist den Belegungsplänen zu entnehmen, dass die berufstätigen „Fräulein“ ihren Freitagabend zurückbekommen hatten. Das Engagement hat sich doch gelohnt.
„Schikanöses Abstellen der Brausen“
Auch andere Vorfälle geben Einblick in diese Zeit: 1937 beschwerte sich die Gemeinschaft Kraft durch Freude beim Stadtpfleger über „schikanöses Abstellen der Brausen“ durch den Bademeister Maigler ‒ nach einer halben Stunde! Er habe es „im Interesse einer wirtschaftlichen Wasserverwendung und da er davon ausginge, dass der Zweck des Badens vor allem das Schwimmen sei, es für seine Pflicht erachtet, die Brausen auf etwa 10 Minuten abzustellen“, äußerte sich der. „Im Übrigen hoffe ich, dass weiterhin die Schwimmkurse im guten Einvernehmen sich abwickeln ... Heil Hitler!“
Das Uhlandbad ist zu klein!
Vor allem die Soldaten hatten Vorrang im Uhlandbad. Im Mai 1939 diskutierte der Gemeinderat darüber, dass „die Schwimmhalle allzu häufig von der Wehrmacht benützt werde“ und der Schwimmunterricht der Schulen darunter leide. An die 3.000 Soldaten waren in Tübingen stationiert. Für die 32.000 Einwohner sei das Bad ohnehin zu klein, so das Protokoll, das schon damals die „dringende Notwendigkeit der Erstellung einer 2. Schwimmhalle“ festhielt.