Blick ins Archiv: Ganz schön dekadent! Das Hundebad (1914-44)
Da schlagen Hundeherzen höher: Vor 100 Jahren gehörten auch Vierbeiner zu den Stammgästen im Uhlandbad. Ungewöhnlich? Gar nicht!
Der Markt rund um „Herrchens Liebling“ ist riesig, auch in den Bereichen Tiergesundheit und Hygiene: Hundebäder gehören zum Service in Hundesalons, Rehakliniken für Vierbeiner bieten Therapieschwimmen für Hunde und 2014 eröffnete im hessischen Hanau das „Aquabello“, Deutschlands erstes Hunde-Hallenbad. Zwei Stunden tierisches Badevergnügen kosten dort stolze 12,50 Euro, Duschen und Föhnen inklusive.
So neu, wie man vielleicht glaubt, ist das nicht!
Bereits vor mehr als 100 Jahren gehörte ein Hundebad zur Standard-Ausstattung vieler „Volksbäder“: Das 1901 eröffnete Müller‘sche Volksbad in München hatte ein Hundebad im Untergeschoss, wo bis 1978 ein Hundecoiffeur seine Dienste tat. Auch die Stadtbäder in Augsburg (1903) und Heidelberg (1906), das Elisabethbad in Aachen (1911), das Nürnberger Volksbad (1913) und das Leipziger Stadtbad (1916) boten diesen Service. Im Bismarckbad Altona (1911) existierte das Hundebad bis 1980, bestehend aus Bade-, Scher- und Trockenraum. Im Mannheimer Herschelbad (1920) diente das aufgegebene Hundebad eine Zeitlang als Duschgelegenheit der Bezirksschornsteinfeger. In der Regel waren die Hundebäder – wie auch die Wäschereien und die günstigeren Reinigungs- und Brausebäder - im Keller der Badeanstalten untergebracht.
Up to date: Ein Hundebad für Tübingen
Wer um 1900 in Tübingen seinen Hund nicht einfach im Neckar oder im heimischen Badezuber zu Wasser lassen wollte, konnte dessen Säuberung auch Profis überlassen. Schon das erste Tübinger Hallenbad, das Ludwigsbad (1899-1903) im Eckhaus am Neckartor, besaß neben Wannen-, Dampf- und Kneippbädern ein Hundebad, wie der Blick auf die Eröffnungsanzeige in der Tübinger Chronik vom 17. November 1899 verrät: Es bestand aus je einem „Reinigungs- und Schwimmbehälter“ und kostete für einen großen Hund 70 Pfennig, für einen kleinen 40 Pfennig.
Als die Stadt nach Schließung des Ludwigsbads mit den Planungen für ein Stadtbad begann und der Stadtbaumeister Geilsdörfer 1906 erste Entwürfe zeichnete, sah er darin kein Hundebad vor. Anders sein Nachfolger: Als das Projekt Uhlandbad wenige Jahre später Gestalt annahm, bekam ein „Hundebad“ im Untergeschoss von Anfang an seinen festen Platz in den Grundrisszeichnungen Karl Haugs (siehe Abbildung).
War das eigentlich teuer?
Am 25. Juli 1914 wurde das Uhlandbad feierlich eröffnet. Die ganzseitige Anzeige, die zu diesem Anlass in der Tübinger Chronik erschien, gibt einen Überblick über Öffnungszeiten, Preise und das reiche Angebot, vom Heublumenbad bis zum Schwimmkurs. Auch das Hundebad ist aufgeführt: „Langhaarige Hunde und große Hunde: 1 Mark, alle anderen Hunde: 60 Pfennig“, kann man da lesen. Damit war das Baden für den Vierbeiner deutlich teurer als für Herrchen oder Frauchen. Erwachsene zahlten nämlich 40 Pfennig (Kinder 20 Pfennig) fürs Schwimmen, 70 Pfennig für ein Wannenbad I. Klasse, 10 Pfennig kostete eine Dusche. (Zum Vergleich: Im Nürnberger Volksbad zahlten Hundebesitzer je nach Service und Größe des Tieres 5 Pfennig fürs Einstellen, 40 Pf.-1 Mark fürs Reinigen und 1,50 - 3 Mark fürs Scheren.) Ein richtiger Luxus, wenn man bedenkt, dass um 1914 ein Kilogramm Brot etwa 28 Pfennige kostete.
Emaille-Wanne und Trockenapparat: Wie das Hundebad aussah
Die Eröffnungsschrift zum Uhlandbad vom Juli 1914 verrät, wie es im Untergeschoss der Schwimmhalle aussah: Es „umfasst ein geräumiges Hundebad (mit eigenem Vorraum und Zugang von außen), eine Werkstätte, Warteräume und sechs Brausebäder, sowie als Hauptbestandteil den Warmwasserbehälter, der das durch die Fernleitung geführte Heißwasser aufzuspeichern bestimmt ist.“ Aus den Stellenbeschreibungen für die Mitarbeiter, die im Gemeinderats-Protokoll vom 23. Mai 1914 festgehalten ist, erfahren wir, dass der „Badediener“, also der Assistent des Masseurs und Schwimmlehrers, unter anderem die Aufgabe hatte, die Brausebäder im Keller und das Hundebad zu bedienen. Außerdem musste er die Heizungsanlage und die maschinellen Einrichtungen der Wäscherei überwachen.
Elisabeth Buchhalter, die Tochter des ersten Badmeisters, erinnert sich noch an das Hundebad der 1920er Jahre: „An der Rückseite des Uhlandbads, auf der Gartenseite, war der Eingang zum Hundebad. Es gab eine Emaille-Wanne mit warmem Wasser, da kamen die Hunde rein und wurden abgeschrubbt oder geduscht. Hinterher steckte man sie in einen elektrischen Apparat mit Birnen darin, um ihnen das Fell zu trocknen. Das fanden wir Kinder am interessantesten“, berichtet sie. Solche Warmluftboxen für Hunde waren z.B. auch im Münchner Volksbad im Einsatz. Ob den Hunden das gefiel? Aus einer Verbrauchsstatistik des Uhlandbads von 1933 kann man entnehmen, dass für ein Hundebad – genau wie für die normalen Wannenbäder für „Zweibeiner“ auch – 200 Liter Wasserverbrauch veranschlagt wurden und die Badetemperatur 39 Grad betrug.
So besonders erfolgreich war das Angebot nicht. Mit 178 abgegebenen Hundebädern war 1929 das beste „Hundejahr“.
Hunde im Uhlandbad:
- 1928: 135
- 1929: 178
- 1930: 133
- 1931: 111
- 1933: 84
- 1934: 120
- 1935: 125
- (1936-44: keine Belege)
Das Ende des Hundebads
1949 wurde das Hundebad endgültig aufgegeben. Nach der Stilllegung des maroden Gaswerks und dem Ende der praktischen Fernwärmeleitung benötigte man den Platz für den Einbau neuer Warmwasser- und Heizungsanlagen. Auch die dringend notwendige Wasserreinigungsanlage samt moderner Chloranlage wurde in den Kellerräumen installiert. Als das Uhlandbad in der Nachkriegszeit allmählich wieder öffnete – zunächst für die französischen Besatzer, ab Mitte 1949 nach und nach auch für die Tübinger, hieß es also: „Hunde draußen bleiben!“
Dass man trotzdem hin und wieder einen Hund durchs Treppenhaus des Uhlandbads springen sieht, hat seinen Grund: Er wohnt nämlich in der Dienstwohnung im 2. Stock. An der Stelle des alten Hundebades befindet sich heute das moderne BHKW.