Folge 2: „50 Prozent Knochenarbeit“: Der ehemalige Uhlandbad-Chef Jochen Anger erinnert sich

Interview mit Jochen Anger

Das Uhlandbad ist sein Zuhause. Mehr als 25 Jahre arbeitete er hier als Schwimmmeister. Bis heute wohnt er in dem denkmalgeschützten Gebäude. Was alles dazugehört zu dem Job und was früher anders war als heute, erzählt er anlässlich des Jubiläums.

Wie war das, als Sie im Uhlandbad anfingen?

Ehrlich gesagt, war ich zuerst enttäuscht. Ich kam ja vom viel größeren und moderneren Hallenbad Nord. Aber nach und nach habe ich das kleine Bad schätzen und lieben gelernt. Es wurde zu „meinem Bad“.

Sah es damals anders aus als heute?

Wenn man reinkam, stand da ein Kassenhäuschen. Wir haben damals noch zwei Kassiererinnen beschäftigt, außerdem sechs Badefrauen. Es gab ja noch die Wannenbäder: drei Badewannen im Erdgeschoss und sechs Duschen im Keller. Der Bedarf war noch da. Vor allem Studenten und Altstadtbewohner haben die genutzt. Das frühere Wannenbad im 1. Stock war aber längst umgewandelt zur Massageabteilung, die der damalige Uhlandbadleiter Schäfer führte. Als er in Rente ging wurden die Räume dann vermietet.

Was war in Ihrem Beruf früher anders?

Die Bädertechnik war viel aufwändiger zu bedienen. Das war noch viel Handarbeit, zum Beispiel die Filteranlagen, die mit Kieselgur-Pulver und Aktivkohle funktionierten. Die Stoffscheiben gingen hin und wieder kaputt, dann sickerte was durch und das Wasser wurde milchig-trüb oder schwarz. Eine Mordsarbeit war das! Später bekamen wir Sandfilter, das war einfacher. Man musste immer große Säcke schleppen, alles anrühren, den Boden absaugen. Bestimmt 50 Prozent Knochenarbeit. Zum „Entspannen“ wurde jeden Abend die Abrechnung gemacht, die Eintrittskarten und Einnahmen gezählt, den Handtuchverleih gab es auch noch. Und es gab manche unruhige Nacht! Als Chef des Uhlandbads musste ich eine der Dienstwohnungen im Haus beziehen. Es gab ja noch keine Leitstelle - alle Störmeldungen gingen direkt zu mir. Man war jederzeit in Bereitschaft. Aber in der Nachbarwohnung lebte auch ein Kollege, so dass wir uns abwechseln konnten.

Wie war der Umgang mit dem Publikum?

Nicht immer einfach. Es gab schon immer viele Stammgäste im Uhlandbad - da hat eben jeder seine Gewohnheiten. Schwierig wurde es manchmal, wenn während der Sommerpause die Schwimmer des Hallenbads Nord dazukamen. Man muss diplomatisch sein und immer die Ruhe bewahren. Doch insgesamt waren es nette Kontakte. Ich habe viele schöne Momente erlebt.

Es gibt viele sehr aktive ältere Damen, die oft kommen und sich fit halten. Das imponiert mir. Frauen sind die Härteren – das merkt man ja auch im Freibad. Manche kommen natürlich auch zum Schwätzchen ...

Wo haben Sie selbst schwimmen gelernt?

Im Neckar. Es gab ja das Freibad im Fluss, etwa auf der Höhe des heutigen Freibads. Vom Zentrum aus konnte man da mit einem Motorboot hinfahren. Als Kind war ich im Winter oft im Uhlandbad. Und schon früh in der DLRG aktiv. Ich war der mit den meisten Rettungsstunden. Später wurde ich bei der Marine zum Rettungsschwimmer ausgebildet.

Was schätzen die Gäste am Uhlandbad?

Es liegt zentral, die Atmosphäre ist familiär. Viele kennen das Bad seit ihrer Kindheit, für die ist es einfach Tradition. Ich kenne Familien, da habe ich den Kindern das Schwimmen beigebracht und dann kamen die wieder mit ihren Kindern. In der Stadt sprechen mich manchmal ehemalige Schwimmschüler an – das sind nette Begegnungen. Bei mir haben Hunderten von Kindern schwimmen gelernt.

An welche kuriosen Begebenheiten erinnern Sie sich?

An ein absurdes Schild damals in den Duschen: „Duschen ohne Badekleidung verboten.“ - Kann man sich heute nicht mehr vorstellen! Einmal hat ein altes Mütterchen sein Gebiss im Schwimmbecken verloren und mir das mit Zeichen aus dem Wasser raus klargemacht. Ihr war das wahnsinnig peinlich. Das Ding lag auf 3,50 m Tiefe. Ich hab mich dann umgezogen und es rausgeholt – so ganz diskret ging das allerdings nicht.

Was haben Sie zu Ihrer Zeit eingeführt?

Die Wassergymnastik war damals ganz modern. Die bunten Schwimmnudeln wurden von vielen zuerst abgelehnt – als Kinderspielzeug. Mit der Zeit haben die Leute dann gemerkt, dass die ganz prima sind. An manchen Tagen habe ich zu jeder Stunde die Gymnastik angeleitet. Noch heute höre ich von Stammgästen: „Ich mach noch immer Ihre Übungen!“ Oft war das lustig. Manchmal aber auch ein wenig lästig. Dass die technischen Aufgaben viel Zeit in Anspruch nahmen, hatte auch sein Gutes. Man konnte sich mal zurückziehen.

Schwimmen Sie heute noch gern?

Ja, aber am liebsten im Mittelmeer. Nicht in Tübingen. Hier gehe ich lieber mit unserem Hund spazieren.