„Piscine militaire“: Elisabeth Buchhalter erzählt vom schwierigen Neuanfang in der Nachkriegszeit

Eines der spannendsten  Kapitel in der 100-jährigen Geschichte des Uhlandbads ist die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Stadtwerke-Archiv sind  viele Dokumente und Briefwechsel aus dieser Zeit erhalten und auch Elisabeth Buchhalter, Tochter des ersten Bademeisters, die bis 1947 in der Dienstwohnung im Uhlandbad wohnte, erinnert sich lebhaft daran.

Im Zweiten Weltkrieg konnte das Uhlandbad nur eingeschränkt genutzt werden und musste 1944 nach Bombenschäden an der Fernwarmwasserleitung in der Reutlinger Straße ganz schließen. Dann begann die Besatzungszeit und das Bad wurde vom französischen Militär beschlagnahmt. Gleich im Mai 1945 musste die Stadt 1.000 Reichsmark Strafe an die Militärregierung zahlen, da nicht richtig geheizt werden konnte, „à titre d’amende pour le mauvais fonctionnement“ , so steht es auf der Quittung.

Die Feuerwehr hilft

„Die Franzosen forderten, das Bad rasch zu öffnen“, erzählt Frau Buchhalter. „Mein Vater sagte: Keine Kohlen – kein Baden. So wurden Kohlen beschafft und die Kessel im Keller, die das Wannenbad beheizten, angeworfen. Doch genug Wasser gab es auch nicht! Da holte man kurzerhand die Feuerwehr, die Wasser vom Neckar raufgepumpt hat, bis die Fernleitung einigermaßen saniert war.“

1946 konnte der Betrieb langsam wieder aufgenommen werden,  zunächst nur die Wannen- und Brausebäder. Allerdings nicht für die inzwischen knapp 36.000 Bewohner der überfüllten Stadt, sondern nur für die Angehörigen der Besatzungsmacht. Das Uhlandbad war zuallererst „Piscine militaire“. An eine Öffnung der Schwimmhalle war noch nicht zu denken.

„Sie sind verhaftet!“

Elisabeth Buchhalter erinnert sich: „An Pfingsten gab es große Aufregung: Das Bad war an den Feiertagen geschlossen - da kamen die Franzosen und machten Ärger, weil das Wasser nicht geheizt war. Mein Vater wurde abgeführt. „Prisonnier“ war alles, was wir verstanden haben! Der Grund war: Der Pfingstmontag ist in Frankreich kein Feiertag, da wurde Normalbetrieb erwartet. Die Stadt musste dann Strafe zahlen. Ab da ist mein Vater nie mehr ohne Dolmetscherin zu den Franzosen gegangen. Er war vorsichtig geworden. Wir haben hin und wieder auch die Badewannen im Wannenbad benutzt als das Bad noch für die Öffentlichkeit geschlossen war, und zwar mit offizieller, schriftlicher Erlaubnis der Militärregierung.“ Die „Autorisation“, die der Sportoffizier des 12. Kürassierregiments 1946 ausgestellt hatte, ist erhalten.

Die Tübinger dürfen wieder ins Bad

1947 öffnete das Wannenbad II. Klasse an zwei Tagen in der Woche für die Öffentlichkeit. Dass die Militärregierung auch für Schwimmverein und Schulen Zeiten freigegeben hatte, nützte wenig, da kein Heizmaterial aufzutreiben war und die Hygiene Probleme machte – noch gab es ja keine Filteranlage. Maschinenmeister Rampf schrieb im März 1947: „Jetzt, nachdem die Lufttemperatur in der Schwimmhalle wenigstens 15-17° C ist, war es mir möglich, das Schwimmen der Jugendverbände anlaufen zu lassen. Für die Schulen, samstags von 8-11 Uhr, ist es unter den heutigen Umständen aussichtslos. Grund: (…) dass ich das Schwimmbecken nur einmal und das ist montags jeder Woche neu auffüllen kann. Das Schwimmbad wird aber die ganze Woche so stark in Anspruch genommen, dass es am Samstag für ein Schülerbad nicht mehr in Betracht kommen kann.“

„Widerwärtig schmutzig“

Kein Wunder, dass im Juni das Gesundheitsamt einen zu hohen Keimgehalt im Beckenwasser feststellte und es als „gesundheitsgefährlich“ einstufte. Das Kaporit, das zur Desinfektion zugesetzt werden sollte, war im Handel nicht erhältlich, die Zuteilung musste bei der Besatzungsmacht beantragt werden. Trotzdem blieb der Zustand laut Stadtpflege „höchst unbefriedigend, da das Wasser widerwärtig schmutzig“ war. Die Anschaffung einer Filteranlage war dringend notwendig.

Das warme Wasser, das per Fernleitung vom maroden Gaswerk kam, reichte nicht mehr aus. Teils kam zu wenig, teils kam es zu kalt im Bad an. Schon vor dem Krieg musste zusätzlich „beigedampft“ werden; jetzt konnten die noch funktionstüchtigen Öfen mit 60 m³ nicht einmal die Hälfte der notwendigen Wassermenge erwärmen. Die Fernleitung war an manchen Stellen undicht geworden und auch wegen der geringen Durchflussmenge ging viel Wärme verloren. Zudem zeichnete sich die Stilllegung des Gaswerks ab – und damit das Ende der billigen Warmwasserquelle.

Man plante eine Kesselanlage im Uhlandbad selbst - doch die Industrie konnte nicht liefern. So dienten vorübergehend Dampfkessel im Gaswerk zur Wassererwärmung. Doch mit was sollte man heizen? Viele Briefe an die verschiedensten Verwaltungsstellen sind erhalten, die dringend um Kokszuteilung „im Interesse der Volksgesundheit“ bitten. Immer wieder standen die Badegäste vor verschlossenen Türen.

Der Neustart

1949 ging es aufwärts: Im April erteilte das Gouvernement Militaire Régional die Zustimmung, den im stillgelegten Gaswerk noch lagernden Koks für das Uhlandbad zu verwenden. In seinem Tätigkeitsbericht schreibt der Stadtpfleger: „Trotz ständiger Bauarbeiten im Bad war es möglich, den Badebetrieb (…) aufrecht zu erhalten. Die angestrebte Freigabe weiterer Badezeiten durch die Besatzungsmacht ist ab 1. März 1949 erreicht worden. Die Wannen- und Brausebäder stehen nun wieder die ganze Woche über der deutschen Bevölkerung zur Verfügung. Das Schwimmbad ist noch an 3 Vormittagen für franz. Truppen und an 4 Nachmittagsstunden für franz. Schulen beschlagnahmt.“

Die medizinischen Bäder öffneten wieder, und an vier Abenden durften die Vereine im Bad trainieren. Im Dezember 1949 konnte endlich die Wasserreinigungsanlage in Betrieb gehen, die fortan dreimal täglich das Beckenwasser umwälzte und filterte, gleichzeitig wurde es in einer modernen Choranlage keimfrei gemacht. Auch die Einrichtung wurde erneuert. Im Juni 1950 waren die neuen Warmwasser- und Heizungsanlagen im Untergeschoss einsatzbereit, wenig später stand auch das Dampfbad wieder zur Verfügung. Das Hundebad allerdings wurde aufgegeben.

Mit der Umstellung der Technik war die Arbeit des Heizers umfangreicher geworden und machte eine zweite Kraft notwendig. Der Heizer Eugen Hipp zog mit seiner 5-köpfigen Familie in eine der Dienstwohnungen ein.

Noch 1951 wurde die Schwimmhalle an drei Wochentagen ausschließlich von französischen Stationierungskräften benutzt; erst 1956 wurde die Beschlagnahme aufgehoben.