Am Samstag ins Wannenbad! Sigrid Gallmayer erinnert sich

Was man heute gern vergisst: Nicht nur für Sport und Freizeit waren die Hallenbäder früher da, sondern auch für Hygiene und „Volksgesundheit“. So spielte die Körperpflege auch im Uhlandbad lange Zeit eine wichtige Rolle. Den größten Zulauf hatten die Wannen- und Brausebäder Mitte der 50er Jahre, als rund 65.000 Gäste pro Jahr hier in die Wanne stiegen. Von unserer „Zeitzeugin“ Sigrid Gallmayer stammt folgende Zuschrift:

Nach der Kehrwoche zogen wir los

Meine Eltern zogen 1952 von einem kleinen Dorf an der Eyach in die Stadt, nach Tübingen. Ich war fünf, meine Schwester Karin beinahe neun Jahre alt. In unserer großen 5-Zimmer-Wohnung an der Steinlach gab es herrlich hohe Räume und einen wunderbar langen Flur zum Rollschuhlaufen. Aber noch kein Bad, keine Dusche. Deshalb wurde am Samstag, nachdem die Holztreppe gespänt und die Kehrwoche erledigt war, frische Unterwäsche für die ganze Familie zusammengepackt und wir marschierten ins nahegelegene Uhlandbad zum Wannenbad.

Im ersten Stock wurde man von einer weißgekleideten Frau mit langer, weißer, Gummischürze empfangen. Meist hielt sie noch irgendwelche Putzlappen oder Bürsten in der Hand, weil sie das  eben  frei gewordene Badezimmer gewischt und die Wanne geschrubbt hatte.

Die Badefrau ließ das Wasser an der Wanne einlaufen, goss etwas Fichtennadelschaum dazu und ermahnte uns, die Zeit einzuhalten. Eine halbe Stunde? Ich weiß es nicht mehr. Karin und ich wurden von unserer Mutter abgeschrubbt, die Haare gewaschen, dann raus aus der Wanne, anziehen, raus aus dem Baderaum,  Haare föhnen. Anschließend badete Mutter, dann Vater. Ob das Wasser frisch eingelassen wurde? Auch das weiß ich nicht! Derweil drückten wir Kinder uns dann einen Stock tiefer die Nasen an der Glastür platt und beobachteten die Schwimmer im Uhlandbad.

Zu zweit zwischen Schaumbergen

Als ich dann zur Schule kam, durfte ich samstags mit meiner Schwester allein ins Wannenbad. Das war herrlich, aber auch immer mit etwas Angst verbunden. Die äußerst streng blickende  Hüterin über die Wannen ermahnte uns nämlich gleich beim Öffnen der Tür, die Badezimmertür von innen auf keinen Fall abzuschließen. Was wir natürlich nicht befolgten, denn es hätte ja womöglich jemand hereinkommen können und wir waren im Wasser!

Wir lagen bis über den Hals in den riesigen Wannen, wir bliesen uns den Schaum zu, Schaumberge über uns, Schaumberge auf dem Boden. Wir tauchten unter, wir tunkten uns gegenseitig unters Wasser, wir kreischten vor Spaß, wir schrien vor Freude, wir ließen Wasser nachlaufen, immer wieder, wir kümmerten uns nicht um die Zeit. Es hing eine große, runde Uhr über der Wanne. Wir hörten auch nicht auf das Klopfen an der Tür und nicht auf  die immer wiederkehrenden Ermahnungen der Badefrau. Doch irgendwann wurde uns auch in der großen Wanne mit dem vielen Wasser kalt, wir hatten genug gebadet, genug getaucht, genug getobt, genug ausprobiert, wir stiegen aus, rutschten auf dem übernassen Boden fast aus, zogen uns rasch an und lauschten innen an der Tür, ob die Aufpasserin hoffentlich nicht auf dem Gang war. Dann flitzten wir schnell die Treppen hinunter.

Dieses wunderschöne Samstagsritual endete leider, als bei uns zu Hause ein Bad eingebaut wurde. Die Badefrauen waren sicherlich dankbar für unseren Badeinbau!