Folge 5: „Mein Vater saß an der Kasse“: Ruth Winkler war schon vor 80 Jahren Stammgast im Uhlandbad
Interview mit Ruth Winkler
Eine der ersten „Zeitzeuginnen“, die sich bei uns zum Thema Uhlandbad gemeldet hat, war Ruth Winkler. 1934 hat sie als 4-Jährige im Uhlandbad schwimmen gelernt. Sie und ihre Brüder gingen dort ein und aus: Der Vater arbeitete in den 20er und 30er Jahren dort als Kassierer.
Schwimmbadkasse und Wannenbad
Mein Vater, Konrad Mattes, hatte als Soldat im Ersten Weltkrieg einen Herzinfarkt erlitten und seine Stellung als Versicherungskaufmann verloren. Er wurde dann von der Stadt Tübingen eingestellt und arbeitete an der Kasse im Uhlandbad bis Ende der 30er Jahre. Mit über 50 Jahren wurde er zu Kriegsbeginn 1939 abermals eingezogen und musste die Tübinger Lazarette einrichten, u.a. im Wildermuth-Gymnasium.
Wir wohnten in der Seelhausgasse. Meine Mutter ging regelmäßig ins Wannenbad im Uhlandbad und nahm mich schon als ganz kleines Mädchen mit. Das waren schöne Bäder und ich hab immer eine kleine Palmoliv-Seife gekriegt. Später ging ich aber lieber mit meinen Brüdern in die Schwimmhalle. Schwimmen gelernt habe ich auf die drastische Art: Mein großer Bruder, der 10 Jahre älter war und auf mich aufpassen sollte, hat mich irgendwann einfach ins Tiefe geworfen und ich bin rausgepaddelt: „Die Kleine kann das, auf die muss man nicht mehr aufpassen“, behauptete er. Ich konnte es aber wirklich schnell und hab keine Schwimmstunden gebraucht. Der Bademeister Beerschwinger wollte mich immer an die „Angel“ nehmen - da hängte man die die Nichtschwimmer in einem Ring und zog sie zum Üben durchs Becken. Aber das wollte ich auf keinen Fall! „... sonst nimmt der Beerschwinger dich an die Angel …“, wurde dann eine Art Drohung bei uns. Ich erinnere mich auch noch an Herrn Maigler, der für Technik zuständig war, und an Herrn Buchhalter, den damaligen Chef des Uhlandbads.
Der Sprung von der Galerie
Für uns Kinder war klar, dass wir in den Schwimmverein gingen. Wir blieben dem Uhlandbad treu, auch als mein Vater nicht mehr dort arbeitete. Wenn wir damals ins Bad kamen, haben wir immer versucht, in die hinteren Umkleidekabinen auf der Galerie zu gehen, dann sind wir mit einem Sprung von der Brüstung ins Wasser. Das hat eigentlich jeder so gemacht. Ich schon mit 5 Jahren, meine Brüdern hinterher. Als das überhand nahm, wurde darauf geachtet, dass Kleinere in die unteren Kabinen gleich neben dem Becken gingen.
Der Bikini
Als junges Mädchen hatte ich mir dann einmal einen Bikini gekauft – der war mein ganzer Stolz, rot-weiß gestreift und sehr schick – und bin damit vom 3-Meter-Brett gesprungen, das es damals noch gab. Dabei ist mir das Oberteil hochgerutscht, es hing mir am Hals und die ganze Bande hat gelacht! Etwas Ähnliches ist dann aber auch einem jungen Mann aus dem Verein passiert: Damals waren die Dreiecksbadehosen für Männer große Mode. Die waren sehr klein und seitlich geknöpft oder geschnürt. Einer verlor seine Hose beim Sprung, was ebenfalls für großes Gelächter sorgte!
1951 wurde das Tübinger Freibad eröffnet, das war eine große Sache! Ich war bei den Schwimmvorführungen dabei und wir Mädchen hatten altmodische rote Badeanzüge und Hauben an, wie sie Anfang des Jahrhunderts üblich gewesen waren. Die haben wir im Wasser ausgezogen und hatten die normalen Badeanzüge drunter.
Schwimmen ist ja leichter als laufen!
Schwimmen gehörte für mich immer dazu. Bis vor drei Jahren bin ich noch regelmäßig zum Aquajogging gegangen. Schwimmen ist ja leichter als laufen, das kann man, selbst wenn man nicht mehr s gut zu Fuß ist. Heute bedaure ich, dass die Umkleiden im Uhlandbad nicht mehr wie früher unten sind – für ältere Leute sind die Treppen beschwerlich.