Kohleausstieg bis 2038: Verantwortung, Chance und Herausforderung für kommunale Stadtwerke

swt-Geschäftsführer Ortwin Wiebecke gibt Einschätzung | Die Kohlekommission hat diese Woche ihre abschließenden Empfehlungen abgegeben. Der Kohleausstieg bis 2038 zeichnet sich ab. Die dafür nötigen Schritte werden die Energiewirtschaft weiter verändern. Nicht nur die großen Energiekonzerne und Kohleförderer stehen vor Herausforderungen: auch Stadtwerke spielen eine wichtige Rolle auf dem Weg zum Kohleausstieg. Ortwin Wiebecke, Geschäftsführer der Stadtwerke Tübingen (swt), ordnet die Ergebnisse der Kohlekommission ein.

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Ortwin Wiebecke, Geschäftsführer Stadtwerke Tübingen:

„Die Empfehlungen der Kommission zeigen einen möglichen Pfad zum Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung. Das ist auch bitter nötig. Die exzessive Nutzung insbesondere der Braunkohle belastet die CO2-Bilanz der Stromproduktion in erheblichem Umfang: jede aus Braunkohle erzeugte Kilowattstunde Strom erzeugt mindestens die vierfache Menge an CO2 wie die in einem modernen Gaskraftwerk erzeugte Kilowattstunde Strom. So werden durch den massiven Einsatz der Braunkohle die erheblichen Erfolge bei der Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien in der Vergangenheit unnötigerweise stark ausgebremst. Leider hat man in Deutschland bis heute immer weiter stark auf die Braunkohle gesetzt, während der weitere Ausbau der  Erneuerbaren zuletzt immer stärker beschränkt wurde.  

Die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen stützen den Pfad, den die Stadtwerke Tübingen bereits seit Jahren eingeschlagen haben und mehr denn je für sinnvoll halten: weiterer Ausbau der Erneuerbaren Energien, verbunden mit Lösungen zum flexiblen Ausgleich von Produktionsschwankungen bei den Erneuerbaren Energien.

Der Energieträger Erdgas hat hier unter anderem für den Einsatz in der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) eine besondere Bedeutung. Mit der KWK können Erzeugungsschwankungen der Erneuerbaren vergleichsweise umweltschonend ausgeglichen werden. So praktizieren wir es in Tübingen auf verschiedenste Art und Weise und an vielen Stellen in der Stadt. Damit sich dieser Ansatz als Teil der Lösung durchsetzt, müssen allerdings die Rahmenbedingungen für den Einsatz der umweltschonenden KWK ein dauerhaftes Fundament erhalten.

Daneben müssen energiewirtschaftliche Reformen eine sinnvolle Verwendung für erneuerbaren Überschussstrom möglich machen. Sofern regenerativ erzeugter Strom den Strombedarf übersteigt, könnte dieser Überschuss durchaus energiewirtschaftlich sinnvoll verwendet werden – beispielsweise zum Heizen oder zur Erzeugung von synthetischen Kraftstoffen. Allerdings machen die aktuell anfallenden Steuern und Abgaben diese sinnvollen Verwendungen für Überschussstrom nahezu unmöglich. Hier besteht dringender Reformbedarf.

Insgesamt sehen wir jetzt die Politik als Gesetzgeber gefordert, die Empfehlungen der Kommission umzusetzen. Jetzt müssen konkret und mit klarem Zeit- und Zielkorridor die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen gesetzt werden, die zukünftig den Schritt in eine weitgehende CO2 neutrale Stromerzeugung möglich machen.“